Ich wurde als Maire ni Fiona am 29. Februar im Jahre des Herrn 1764 in Edinburgh geboren. Ein Kind der Beltainefeuer, gesegnet für die alten Gläubigen, ein Bastard für die Christen. Meine Mutter starb bei meiner Geburt und mein Großvater, ein Kaufmann, beschämt über meine Geburt (er war schließlich ein Christ) gab mich zu einem Ehepaar in die Highlands. Aber ich eile voraus. Mein Vater war ein reisender Barde. Ich weiß, heute sagt man dazu Musiker, aber ich romantisiere gerne meine Herkunft und Barde ist weitaus romantischer als Musiker.
Meine Mutter weigerte sich, an den christlichen Ritualen teilzunehmen. Ich weiß nicht, ob das nur ihre Art von Rebellion gegen meinen Großvater war (mir wurde später erzählt, meine Großmutter starb am dreizehnten Geburtstag meiner Mutter), oder ob sie dem christlichen Glauben wirklich mißtraute. Sie gehörte zu einer Gruppe von Leuten, die noch dem alten Glauben anhing. Während des Beltainefestes traf meine Mutter meinen Vater. Er mißtraute gleichfalls den Versprechen der Christen und kam, um auf dem Fest zu spielen. In meinen romantischen Träumen stelle ich mir vor, daß meine Eltern sich im ersten Augenblick miteinander verliebten. Ich weiß allerdings, in Wahrheit waren es wohl eher die brennenden Feuer, die Riten, der Alkohol und die pure Lust, die sie verband. Neun Monate und mehr als zwei Wochen später (ich schätze, ich wollte die Welt der Lebenden nicht betreten) wurde ich geboren. Dieser Tag war ein Schalttag und ich glaubte eine Zeitlang, ich würde nur alle vier Jahre ein Jahr älter. Doch das spielt keine Rolle mehr, genauso wie das Alter keine Rolle mehr für mich spielt. Aber ich eile schon wieder voraus.
Meine Mutter starb bei einer extrem schmerzhaften Geburt. Mir wurde später erzählt, mein Großvater weigerte sich, nach dem Doktor zu schicken. Die Bettlaken waren alle dunkelrot, als ich meinen ersten Atemzug tat. Vielleicht ist darum dunkelrot immer meine Lieblingsfarbe gewesen. Aber ich bin schon wieder nicht mehr beim Thema. Mein Großvater hatte die Umstände, unter denen ich gezeugt wurde, herausgefunden und schwor, der Tod meiner Mutter wäre von Gott gewollt. Er schwor auch, ich sei der Sproß einer Hexe und daß ich böse sei. (Vielleicht hatte er einen Rest Elfenblut in seinen Adern und konnte etwas in die Zukunft sehen.) Er gab mich zu einem Schafhirten und seiner Frau in die Highlands. Warum er mich nicht gleich umbrachte, weiß ich nicht. Vielleicht fürchtete er, daß ihm dadurch die Himmelstüre verschlossen bleiben würde. Als ob seine illegalen Geschäfte dafür nicht schon ausreichten.
Sie wundern sich jetzt vielleicht, warum ich so viel über meine Vergangenheit weiß? Als ich zwölf war, suchte mich ein Mann auf, un mir all das mitzuteilen. Er behauptete, er war der Bruder meines Vaters und er mußte mir all das sagen, bevor er starb. Ich glaubte ihm, weil ich nichts anderes wußte. Seitdem ich die Highlands verlassen habe, habe ich die Geschichte dieses Mannes geprüft.
Ich wurde gut und auch auf die alte Art und Weise erzogen. Meine Eltern brachten mir Lesen und Schreiben bei, das Wissen um die Geheimnisse der Erdgöttin, um Beltaine und Samhain, und auch das Spielen der Harfe und Flöte. Viele Abende vor dem Feuer waren mit Musik, Tanz und Gelächter angefüllt. Obwohl ich meine Zieheltern liebte, zog ich mit sechzehn von Ihnen weg nach Edinbourgh. Ich fühlte, daß ich mehr über meine wirkliche Familie wissen mußte. Ich schnitt mein rotes Haar schulterlang und verkleidete mich als Junge. Mein Pflegevater hatte mich wie einen Jungen erzogen - Frauen lernten damals nur genung, um eine gute Hausfrau zu sein - und so war ich recht geübt im Umgang mit Pfeil und Bogen und der Flinte und konnte sogar einigermaßen gut fechten. Als guter Reiter fand ich eine Arbeit in einem Pferdestall. Obwohl ich als Mädchen ziemlich hübsch war, glaube ich, als Mann deutlich attraktiver zu wirken. Tatsächlich, falls die Bemerkungen und Blicke der Mädchen nur zur Hälte wahr waren, habe ich einen hübschen Mann abgegeben.
Abends spielte ich auf der Harfe oder schrieb Geschichten, die mir seit meiner Kindkeit im Kopf herumschwirten. Meine Geschichten - Geschichten über Geister, Hexen, Friedhöfe, neblige Moore und verlassene Ruinen von Kathedralen - wurden veröffentlicht, und in meiner Verkleidung als Mann wurde ich berühmt. Vor allem unter Männern waren diese Geschichten äußerst beliebt; die meisten Frauen konnten damals leider noch nicht lesen. Um meine Tarnung behalten zu können, zog ich mich soweit wie möglich von der Außenwelt zurück. Für meine Leser war ich ein Mann, und je weniger sie über mich wußten, desto mehr würde ich schreiben können.
Ab und zu jedoch zog ich durch die Kneipen, sowohl um den neuesten Klatsch und Tratsch aufzuschnappen, als auch, um Material für meine Bücher zu finden. Es gab immer jemanden, der für eine Geschichte gut war. Eines kalten Februarabends, genauer gesagt an meinem 24. Geburtstag, saß ich wieder im Fox's Tail. Nach dem Abendessen, als ich über einen großen Krug Glühwein saß und über das Älterwerden philosophierte, kam ein hagerer, schwarzhaariger Fremder geradewegs auf meinen Tisch zu. Seine durchdringenden grünen Augen erinnerten mich an jemand, den ich schon zuvor gesehen hatte, aber ich konnte mich nicht erinnern, wo. Er wußte, wer ich war, und versprach, mir eine Geschichte zu erzählen, die mich faszinieren würde. Gierig darauf, ein neues Buch herauszubringen, lud ich ihn zu mir nach Hause ein. Bei einer Flasche Wein erzählte er mir die fantastischte Geschichte, die ich je gehört hatte, eine Geschichte über Tod und Blut und Chaos. Ich muß zugeben, ich gierte nach mehr. "Was für ein Buch diese Geschichte geben würde", dachte ich mir.
Ich muß auch zugeben, daß ich mich stark zu diesem Mann hingezogen fühlte. Er war wie kein anderer Mann, dem ich zuvor begegnet war, aber irgendwas an ihm kam mir bekannt vor, und das nagte an mir. Ich wollte ihn, aber nachdem ich nicht allzu erfahren war (ich hatte schließlich den größten Teil meines Daseins als Erwachsener in der Rolle eines Manns verbracht), war ich unsicher über meine Anziehungskraft auf ihn. Ich fühlte daß - wenn er mich wollte - er jemand sein mußte, der das Bett nicht nur mit Frauen teilte. Schließlich hatte ich das Auftreten und die Contenance eines Mannes. Aber ich lag total falsch. Er wußte genau, was ich war, wer ich war. Wir gingen zu meinem Schlafzimmer. Ich kann mich noch so genau daran erinnern, als ob es gestern gewesen wäre. Das Feuer brannte und fauchte voll intensiver Wärme. Alle Kerzen brannten; komisch, ich hatte nicht gesehen, wie sie angezündet wurden. Der Glanz war beinahe überirdisch. Er hob mich hoch und trug mich zum Bett, und ich, die es seit Kindesbeinen gehaßt hatte, hochgehoben oder getragen zu werden, ließ es geschehen.
Sanft ließ er mich auf das satinbezogene Bettlaken sinken und kam neben mir zu liegen. Mein Körper brannte vor Verlangen nach ihm. Ich wollte seine Kleider herunterreißen und jeden Zentimeter seines Körpers mit den Lippen berühren. Er hielt mich auf Armeslänge zurück und blickte mir geradewegs in die Augen. Ich konnte seinem Blick nicht ausweichen. Mein Verlangen nach ihm wurde stärker. Er beugte sich vorwärts und strich sanft mit seinen Lippen über die meinen. Dann über meine Augen, meine Nase, meine Wangen. Ich glaubte, vor Lust zu vergehen, wenn er mich nicht berühren würden. Ich hielt ihn fest und küßte ihn. Nie zuvor hatte ich einen Kuß so gespürt wie diesen. So intensiv, so überwältigend. Ich war kurz davor, vor Glück zu sterben!
Er begann an meinem Nacken zu saugen. Kleine Bisse und leichte Schmerzen. Mir war es egal, ich wollte ihn, ich brauchte ihn und der Schmerz würde mich nicht aufhalten! Er fragte mich, ob ich wirklich wollte, was er mir geben würde. Hätte ich damals verstanden, was aus mir werden würde, hätte ich vielleicht meine Meinung geändert. Aber meine Lust auf ihn war zu groß um umzukehren. Ich nickte, einmal, zweimal, hundertmal. Er riß mein Hemd auf und streichelte über meine Brüste. Unnötig zu sagen, daß ich fast verrückt dabei wurde.
Bevor ich mir noch darüber klar wurde, was er tat, tauchten seine Zähne in die weiche Haut meiner linken Brust. Ich glaube, ich schrie auf und zerriß daß Laken mit meinen Fingern. Ich weiß es nicht mehr. Er saugte und saugte an meinem Busen. Ich konnte das Blut durch meine, nein, durch unsere Adern pulsieren hören. Mein Herz schlug, als wollte es in meiner Brust zerspringen.
Als er genug hatte, griff er nach seinem Dolch und ritzte sich damit über seine Brust. Er zog mein Gesicht auf diesen Schnitt hinunter. Zuerst kämpfte ich noch dagegen an, aber sobald das Blut meine Lippen benetzt hatte, kannte ich nur noch den Hunger. Er drückte mich an seine Brust und stöhnte, als ich unser vermischtes Blut aus ihm saugte. Endlich, nachdem scheinbar eine Ewigkeit voll Schmerz und Lust vergangen war, schob er meinen Kopf weg. Wir verbrachten die nächste halbe Stunde damit, uns zu küssen und sanft zu beißen. Plötzlich stand er auf und zog mich mit sich. Sanft dirigierte er mich vor den großen Spiegel in meinem Schlafzimmer. Als er hinter mir stand, bat er mich schließlich, hineinzusehen. Meine Augen weiteten sich vor Schreck, als ich kein Spiegelbild von ihm sah. Und auch mein Spiegelbild löste sich langsam auf und verschwamm. Das letzte, was ich im Spiegel erkennen konnte, waren meine Augen, die sich auf einmal mit einem sprachlosen Entsetzen füllten, das noch viel tiefer und kälter war als der erste Schock. Ich wußte nun, wo ich diese grünen Augen zuvor gesehen hatte. Als ich mich umdrehte, lächelte er mich an und sagte: "Willkommen zuhause, Tochter." Seine Augen waren die meinen.
ENDE