Süße Versuchung
 
1

"Ich hasse diese Scheiße! Ich hasse sie", dachte Mark, während er versuchte, nach außen weiter freundlich und locker zu erscheinen. Das Glas Champagner in seiner Hand war längst warm geworden, obwohl er es selbst kalt lieber einem Ausguß als seinem Mund anvertraut hätte. "Mieser Jahrgang. Und das bei den Gewinnen, die diese Galeristen heutzutage mit dem Verkauf von Kunstwerken - Annotation: Kunstwerke bitte in kursiv - von ach so bedeutenden Künstlern - nochmals: bedeutenden auch kursiv - einsteckten." Nein, heute Nacht würde er in der Redaktion keine große Arbeit haben. Er brauchte sich eigentlich gar nicht die Mühe machen, hier in Gedanken einen Artikel zu entwerfen, den er doch nicht schreiben würde. Für Mark war diese Vernissage so wie die meisten anderen: Ein kräftiger Verriß, und die Sache war erledigt. Er würde einfach einen seiner Standardtexte in den Computer laden, die Fakten kurz aktualisieren und das Ganze dann an den Setzer schicken. Wenn er sich etwas beeilte, könnte er danach sogar noch auf ein Bier oder zwei in seine Stammkneipe gehen. "Allemal besser als dieser Fusel hier." Aber noch konnte er hier nicht weg. Er mußte zumindest so tun, als ob er die ausgestellten Exponate bewundern würde, mußte zumindest jedes Stück einmal fachmännisch begutachten, mußte den Small-Talk über sich ergehen lassen. Sich nach dem Befinden der werten Gattin erkundigen. Wie es denn den Kindern geht, ob sie aufs College gingen et cetera et cetera. Aber er mußte es hinter sich bringen.

 
2

Eigentlich hätte er sich den ganzen Abend sparen können. Er hatte Leroy Vandenmaar, so hieß der Künstler (in kur..., jaja, vergiß es, unterbrach er sich in Gedanken) schon vor zwei Jahren in Chicago verrissen, und nun würde er es eben hier in New York wieder tun. Sein Gedankenstrom riß plötzlich ab, als er in der Menge der geladenen Gäste, von denen die meisten hier oder bei einer ähnlichen Gelegenheit mindestens eine dieser Scheußlichkeiten zu einem Wucherpreis erworben hatten und das nun als Prunkstück in ihren Wohnungen hing oder stand, als er in dieser Menge eine Frau bemerkte, die...nun ja, die sein Gehirn einfach zum Aussetzen brachte. Er hatte noch nie in seinem Leben eine so schöne, so begehrenswerte Frau gesehen, und er war sich auch fast sicher, nie wieder einer solchen Schönheit zu begegnen, egal wie alt er jemals werden würde.

 
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Als er langsam zu ihr hinüberschlenderte und sie dabei verstohlen ansah, konnte er der Versuchung nicht wiederstehen, seinen Bauch etwas einzuziehen und sein Kreuz durchzudrücken. Prompt ertappte er sich dabei und ließ die Schultern wieder sinken. "Verdammt noch mal, gleich kommt die Nummer mit dem Trommelwirbel auf der Brust und dann: Ich Tarzan, du Jane, oder?", dachte er. So schlecht sah er ja nun wirklich nicht aus, immerhin war er ja gerade erst etwas über dreißig. Außerdem: Zweimal pro Woche ging er ins Fitneßstudio, durch den ganzen Parcours und danach Sauna und Solarium. Trotzdem kam er sich im Moment wie ein pickeliger Teenager vor, der zum allererstenmal ein Mädchen ausführen will. Sein Gehirn, normalerweise darauf getrimmt, Gedanken von der Schärfe eines Skalpells und der Härte von Stahl auszuspucken, schien mit einmal ein Sumpf zu sein, in dem jeder Gedanke versank, bevor er sich klar herauskristallisieren konnte. Wenn er sich nicht in acht nähme, würde er wahrscheinlich zu sabbern anfangen, bevor er auch nur das erste Wort herausbrachte...

 
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Endlich, nach einem Zeitraum, der ihm wie eine Ewigkeit erschien, stand er neben ihr. Zumindest fast. Etwas mehr als 2 Meter trennten sie noch voneinander. "Leroy scheint das Sprichwort, das Kunst eine große Sache ist, immer noch zu wörtlich zu nehmen.", dachte er. Tatsächlich nahm das Exponat fast die gesamte Wand ein. Auf einem der üblichen Täfelchen fand er die genauen Abmessungen: 3 auf 5 Meter. Mark mußte sich beherrschen, nicht laut loszulachen. Ja, das war wirklich große Kunst. Das Bild selber war noch schlimmer: Als hätte jemand alle verschmierten Farblumpen aus mindestens fünf Ateliers aufgelesen, ein paar dreckige Öllappen aus der nächsten Autowerkstatt daruntergemischt und alles dann wild verstreut auf ein paar zusammengenagelten Paletten angetackert. Fantastisch. Genial. Richtungsweisend. Bockmist.

 
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Er wandte sich ab und blickte in ein Gesicht, das mindestens genauso schön war wie der vorhergegangen Anblick gräßlich. "Nein", korrigierte er sich in Gedanken, "wesentlich schöner!" Schwarze, seidig glänzende Locken bis über die Schultern, die Augenbrauen perfekt geschwungene Bögen, Augen wie schwarze Opale, hohe Wangenknochen, die Nase mit einem kleinen Ansatz zur Stupsnase - ein winziger Fehler in einem sonst perfekten Gesicht - und wunderbar geschwungene, volle, blutrote Lippen. Die Lippen faszinierten Mark mehr als alles andere. Er wollte sie küssen. Von Ihnen geküßt werden. Er war dermaßen in ihrem Bann gefangen, daß es einen Moment dauerte, bis er bemerkte, daß diese perfekten Lippen sich bewegten und Worte hervorbrachten. Worte, die zweifellos ihm galten.

 
6

"...doch Mark Winter, nicht wahr?" Eine Stimme, wie Rauch auf Eis. "Äh, wie bitte?" Kaum waren diese Worte über seine Lippen gerutscht, nein besser, geschlittert, als sich Mark schon auf die Zunge beißen wollte. "Genialer Anfang! Jetzt hält sie dich wenigstens sofort für einen Volltrottel", war sein nächster Gedanke. Am liebsten hätte er seinen Kopf solange gegen die nächste Wand geschlagen, bis er entweder wieder halbwegs klar bei Verstand war oder bis sein Großhirn beschloß, aus seinen Nasenlöchern herauszufließen und auf dem weißen Teppich der Galerie ein Muster ähnlich dem der ausgestellen Bilder zu hinterlassen. Wenigstens konnte man das dann als richtige Kunst - mit Geist und Verstand hergestellt - betrachten.
"Ich sagte, Sie sind doch Mark Winter, nicht wahr? Der Kunstkritiker von der Times?"
"Ja, richtig. Und Sie sind?" Mark war dankbar dafür, daß zumindest ein Teil seines Verstandes der Hormonwelle, die über ihm zusammenschlug, standgehalten hatte.
"Helena."
"Helena..."
"Einfach nur Helena. Aber jetzt müssen Sie mir unbedingt verraten, was New Yorks bester Kunstkritiker über diese Vernissage zu sagen hat."
Eigentlich lag ihm schon seine Standardantwort "Lesen Sie morgen die Zeitung" auf der Zunge, aber er wußte, daß er diesen Satz ihr gegenüber nicht aussprechen konnte. Nicht, weil er ihn an diesem Abend mindestens schon zwei Dutzend mal ausgesprochen hatte, sondern weil er es nicht verkraften würde, ihr Gespräch auf diese Weise zu beenden. Eigentlich wollte er das Gespräch mit ihr nie beenden, wenn er ehrlich zu sich selbst war.
Er beugte sich etwas zu ihr vor und flüsterte: "Können Sie ein Geheimnis bewahren? Zumindest bis morgen früh?"
Sie blickte ihm direkt in die Augen und antwortete: "Auch bis in alle Ewigkeit, wenn Sie wollen."

 
7

"Meiner Meinung nach ist dieser Künstler, diese Bilder und die ganze Vernissage ein einziger Bockmist. Kommerz, aber keine Kunst."
Er war auf einen entrüsteten Blick gefaßt, gefolgt von einem Disput über Kunst per se. Aber nichts von alledem passierte.
Statt dessen kicherte sie: "Ganz meine Meinung!"
"Und soll ich Ihnen noch was sagen?" fuhr Mark fort, "Ich glaube, dieses Bild, dieses Monster da, hängt verkehrt herum!"
"Ach, Sie meinen mit der anderen Seite nach oben?"
"Nein, ich meine mit der anderen Seite nach vorne! Außerdem ist es ja noch nicht einmal ausgepackt."
Aus ihrem Kichern wurde kurz ein glockenhelles Lachen.
"Ihre Zunge ist ja noch spitzer als ihre Artikel!"
Mark, der inzwischen zumindest halbwegs sein altes Selbstbewußtsein wiedergewonnen hatte, fuhr fort: "Sehen Sie, Helena, Kunst ist ... etwas Besonderes. Ich habe kein besseres Wort dafür. Etwas Besonderes. So wie Schönheit etwas Besonderes ist. Kunst sollte schön sein. So schön wie Sie."
"Aber ich bin kein Kunstwerk, Sie Schmeichler", entgegnete Helena.
"Nein, das ist mir klar. Aber Sie sind etwas Besonderes."
"Da gebe ich Ihnen allerdings recht. Sie ahnen gar nicht, wie recht Sie damit haben", lächelte Sie.
"Und außerdem sind Sie äußerst selbstbewußt", feixte er.

 
8

Statt einer Antwort legte sie Ihm die Hand auf die Schulter und zog ihn leicht zu sich hinüber. Ihr Kopf beugte sich vor, als ob sie ihm etwas ins Ohr flüstern wollte. Statt dessen spürte er einen flüchtigen Augenblick lang ihre Lippen an seinem Hals. Einen Moment Himmel, einen Moment Hölle, alles in einem. Ein leichter Schmerz ließ ihn zusammenzucken. Dann fuhr ihre Zunge über die Stelle, leckte darüber und der Schmerz wurde weggewischt, ersetzt durch intensive Lust.
"Wir sehen uns wieder." Mit diesen Worten wandte sie sich von ihm ab.
Er wollte sie aufhalten, sie zurückholen, aber sein Körper reagierte nicht mehr auf die Befehle seines Kopfes. Seine Sinne arbeiteten dagegen mit der kristallenen Klarheit eines Drogenjunkies, der gerade eine Linie Kokain eingeschnieft hatte. Er roch ihr herbes Parfüm, sah jede Linie ihres entschwindenden Körpers, als wäre er nicht Meter, sondern nur Zentimeter von Ihr entfernt. Sein Hals brannte unerträglich. Er fühlte, wie ein Tropfen Blut aus der Wunde sickerte und langsam an seinem Hals hinunterrann, war aber nicht in der Lage, seine Hand zu heben und ihn abzuwischen. Sein Schwanz drückte schmerzhaft gegen die enge Unterhose, als er sich zu voller Größe aufrichten wollte.

 
9

"Sie ist wie eine Meduse, läßt ihre Opfer zur Salzsäule erstarren", dachte er. Aber das war nicht das richtige Wort für sie. Sie war keine Meduse. Sie war eine...
Er hatte kein Wort dafür. Er wußte nur eines: Er hatte sich Hals über Kopf in sie verliebt. Intensiver, als er je zuvor eine Frau geliebt hatte. In diesem Moment trat sie durch die Tür der Galerie hinaus in die Nacht. Er konnte noch das Klicken ihrer hohen Absätze auf dem Asphalt hören, bevor die Türe wieder zuschwang und sie in der Dunkelheit verschwand. Gleichzeitig löste sich ihr Bann auf und er bemerkte, wie weich seine Knie
eigentlich waren. Klirrend zersprang sein Sektglas auf dem Boden. Er sah, wie kleine Champagnertropfen und Glassplitter durcheinanderwirbelten, bevor sie auf dem Teppich zur Ruhe kamen.
"Göttin. Sie ist eine Göttin."
Jetzt hatte er das richtige Wort für sie gefunden. Vor seinen Augen wurde es dunkel.

 
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Als er die Augen wieder öffnete, blickte er in ein bekanntes, wenn auch besorgt dreinblickendes Gesicht. Dick Spencer, der Besitzer der Galerie, beugte sich über ihn.
"Hallo Dick", nuschelte er.
"Wie geht's dir?"
Mark richtete sich langsam auf.
"Geht schon wieder. Ich muß wohl einen Schwächeanfall gehabt haben."
Schwankend kam er wieder auf die Beine, wie ein Boxer: Taumelnd, aber nicht ausgezählt.
"Die Ambulanz muß gleich da sein."
"Bestell Sie wieder ab, Dick, ich hab heute noch 'nen Artikel zu schreiben."
"Bist Du Dir sicher, daß es wieder geht?"
Mark nickte nur.
"Also gut, aber dann gehen wir wenigstens kurz auf einen Schluck nach hinten. Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt."
Er führte Mark in sein Hinterzimmer. Dort angekommen, schenkte er erstmal zwei große Tumbler mit Bourbon ein. Einen davon reichte er weiter.
"Jetzt trink erst mal. Nicht nur, daß ich morgen früh wahrscheinlich Deine miserable Kritik in der Zeitung lesen muß, nein, Du mußt auch noch mitten in meiner Galerie umfallen, als ob Dich der Schlag getroffen hätte."
"Tut mir leid, Dick"
"Ach was, ist schon gut. Ist ja nur Dein Job."
Mit diesen Worten griff Dick zum Telefon und führte ein kurzes Gespräch mit dem Krankenhaus. Währenddessen leerte Mark sein Glas zur Hälfte, dann benetzte er seinen Finger mit der Flüssigkeit und drückte ihn auf die Wunde an seinem Hals, die immer noch zu bluten schien. Neuer Schmerz durchzuckte
ihn, als der Alkohol mit seiner Haut in Berührung kam.

 
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"Du blutest ja", stellte Dick fest, als er auflegte.
"Nicht so schlimm. Es ist nur ein kleiner Kratzer."
"Ich geb Dir besser trotzdem ein Pflaster."
Er kannte Dick nun schon seit Jahren. Zwischen Ihnen bestand keine echte Freundschaft, eher eine seltsame Art von Haßliebe. Sobald sie sich sahen, duellierten sie sich mit Worten, aber ohne dabei jemals unter die
Gürtellinie zu gehen.
"Sag mal, Dick, wer ist eigentlich diese Helena?"
"Helena? Welche Helena?", meinte er nur, ohne von seinem Erste-Hilfe-Kasten aufzublicken.
"Sie war heute Abend hier. Kurz bevor ich umgefallen bin, ging sie."
"Ah, da ist ja die Packung. Wie sah Sie denn aus?"
Mark nahm das Pflaster und klebte es sich auf die schmerzende Stelle. Danach beschrieb er seine Begegnung ausführlich seinem Gegenüber. Als er geendet hatte, schaute Dick ihn seltsam an.
"Hmm, wenn sie wirklich so schön war, hätte sie mir eigentlich auffallen müssen. Klingt ja, als ob Du Dich Hals über Kopf in sie verknallt hättest.
Aber laß mich mal nachschauen - wie war ihr Name nochmal? Helena?"
Er klappte sein Rolodex auf und ließ die Visitenkarten durch seine Finger gleiten. Leise murmelte er dabei Namen vor sich hin. Nach einer Weile blickte er wieder auf und sah Mark an.
"Tut mir leid, da kann ich Dir auch nicht weiterhelfen. Ich habe keine Helena heute Abend eingeladen. Ich habe nicht einmal eine in meiner Kartei."
"Seltsam, ich dachte immer, auf Deine Vernissagen kommt man nur mit einer persönlichen Einladung."
"Das dachte ich allerdings auch."

 
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Erschöpft fiel Mark in sein Bett. Die ganze Welt schien sich um ihn zu drehen. Sein Kopf schien zu platzen vor lauter ungelösten Rätseln. Wer war diese Helena? Woher kam sie? Wieso kannte Dick sie nicht einmal? Und wie konnte sie dann überhaupt auf die Vernissage kommen? Was hatte Sie mit Ihm angestellt? Wieso brannte die Wunde an seinem Hals so? Und warum hörte sie nicht zu bluten auf? Er hatte sich vorher im Spiegel angesehen, als er ein neues Pflaster darauf geklebt hatte. Das alte von Dick hatte sich vollgesaugt und war einfach abgefallen. Es war ein winziger Kratzer, kaum größer als ein Insektenstich. Aber er hörte nicht auf zu bluten.

 
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Als Mark am nächsten Morgen aufwachte, schien die Sonne durch sein Schlafzimmerfenster. Er fühlte sich miserabel. Sein Kopf brummte wie ein Bienenschwarm. Soviel hatte er doch gestern Abend gar nicht getrunken, um einen solchen Kater zu rechtfertigen. Von Schmerzen gepeinigt, schloß er seine Augen. In der Dunkelheit sah er auf einmal Helena. Er erinnnerte sich an ihre letzten Worte: "Wir sehen uns wieder." Mit einem Ruck saß er senkrecht im Bett. Wie wollte Sie ihn denn wiederfinden? Seine Telefonnummer stand nicht im Buch, er hatte sie absichtlich nicht eintragen lassen. Seine Adresse kannte sie auch nicht. Und er, er kannte nur ihren Vornamen. Ihm wurde schwindlig, als er über die Chance nachdachte, sie jetzt noch wiederzufinden. Seine Göttin war unwiderruflich entschwunden. Er hatte sie verloren. Und doch, dachte er, ihre Worte waren so bestimmt gewesen, so selbstsicher, als ob sie ihn schon sein ganzes Leben lang kennen würde.
Benommen wollte er sich in die weichen Kissen zurücksinken lassen, als er aus den Augenwinkeln etwas bemerkte und angewidert zurückzuckte. Auf seinem Kopfkissen befand sich ein großer rotbrauner Fleck. Ein Blutfleck. Er griff an seinen Hals. Seine Finger waren blutverschmiert, als er sie wieder zurückzog. Unbewußt leckte er das Blut von seinen Fingern. "Ich muß unbedingt zum Arzt. Wenn das so weitergeht, trockne ich ja langsam aus", dachte er.

 
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Aber zuerst würde er was für seinen Kopf tun müssen. Das Summen in seinem Schädel war einem beständigen Klopfen und Hämmern gewichen. Er kniff seine Augen zusammen und schlurfte langsam zum Bad. Als er sich im Badezimmerspiegel ansah, unrasiert und mit Tränensäcken unter den Augen, kam er sich seltsam bleich vor. Heute Abend würde er wohl etwas länger im Fitneßstudio bleiben und eine Extrarunde im Solarium absolvieren. Er griff nach der Aspirinschachtel und holte zwei Tabletten heraus, die er trocken
hinunterwürgte.

 
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Selbst im Wartezimmer seines Hausarztes wagte er nicht, seine Sonnenbrille abzunehmen. Seine Kopfschmerzen waren schlimmer als zuvor, und wenn er die Brille abnahm, fühlte es sich an, als ob jemand rostige Nägel in seine Augen drückte. Er war extra nochmal in seine Wohnung zurückgegangen um sie zu holen, nachdem ihm auf der Straße alles verschwommen und blendend hell vorkam.
Er brauchte zum Glück nicht lange zu warten, bis ihn der Doktor in sein Zimmer bat. Nachdem er ihm seine Symptome geschildert hatte, zeigte er ihm die Wunde. Der Wattebausch, den er am Morgen darübergeklebt hatte, war wieder blutdurchtränkt.
"Seltsam, es ist eigentlich ausgeschlossen, von einem Tag zum nächsten zum Bluter zu werden. ", meinte der Doktor. "Aber ich würde trotzdem gerne einen Bluttest bei Ihnen machen. Ich habe alles Notwendige hier. Wegen der Kopfschmerzen und der Lichtempfindlichkeit - da gibt es viele Möglichkeiten. Es kann sein, daß es wirklich nur ein Kater ist, aber ich würde Sie trotzdem gerne an einen Neurologen überweisen. Für heute verschreibe ich ihnen ein etwas stärkeres Schmerzmittel, aber wenn es bis morgen nicht besser geworden ist, dann suchen Sie bitte meinen Kollegen auf."
Der Arzt holte ein Päckchen Teststreifen aus einem Schrank und nahm eines heraus. "So, und jetzt brauche ich leider noch etwas Blut von Ihnen. Keine Angst, die Fingerspitze genügt mir vollkommen."

 
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Mark streckte ihm die rechte Hand hin. Der Doktor brach einen kleinen Metallzacken aus der verschweißten Folie und ritzte damit Marks Zeigefinger leicht an. Ein Tropfen Blut fiel auf den Teststreifen. Innerhalb von einigen Sekunden verwandelte sich das rote Blut in einen braunschwarzen Klumpen.
"Ihre Blutgerinnung ist vollkommen in Ordnung. Aber wieso hört Ihre Wunde dann nicht zu bluten auf?", wunderte sich der Arzt. Er nahm einen zweiten Teststreifen und strich damit einen Tropfen von Marks Wunde. Aber dieser Tropfen gerann nicht, sondern blieb mehrere Minuten lang flüssig.
"So etwas habe ich noch nicht gesehen. Es ist fast so, als ob zwei verschiedene Sorten von Blut in ihren Adern fließen."
Er unterzog die Wunde nochmals einer genauen Untersuchung, dann holte er aus einem anderen Schrank eine kleine Sprühflasche. "Das ist ein Coagulans, ein Blutgerinnungsmittel. Es wird wahrscheinlich etwas brennen, aber auf jeden Fall die Blutung stoppen", erklärte er, bevor er etwas davon aufsprühte.
Mark biß sich auf die Lippen. Sein halber Hals schien in Flammen aufzugehen. Er spürte kaum, wie der Arzt ein Pflaster über die Wunde klebte.
"Bitte nicht daran herumkratzen! Und wenn bis morgen Ihre Kopfschmerzen nicht besser sind, gehen Sie bitte zu meinem Kollegen."
Plötzlich bemerkte Mark, daß er immer noch an dem aufgepieksten Zeigefinger lutschte.

 
17

Nach dem Besuch beim Arzt fühlte er sich unglaublich schlapp und müde. Er beschloß, daß die Redaktion heute durchaus auch ohne ihn auskommen würde. Außerdem stand heute sowieso nichts auf dem Terminkalender. Er ging nach Hause, rief bei seinem Arbeitgeber an und meldete sich krank. Irgend etwas ging in ihm vor. Immer mehr unbeantwortete Fragen, ungelöste Rätsel. Zwei Sorten Blut? Er fühlte, daß ihm bei diesem Puzzle ein zentraler Teil fehlte.
Er überzog das Bett neu und warf alles in die Waschmaschine, inklusive seiner schmutzigen Kleidung. Auch an dem Hemd, das er gestern abends getragen hatte, war ein Blutfleck. Er hoffte nur, ihn wieder rauszubekommen. Er war schließlich eines seiner besten - und auch teuersten - Hemden.
Zumindest befand sich kein Lippenstift daran. Ein weiteres Puzzleteil, kam ihn in den Sinn. Auch an ihrem Sektglas gestern Abend hatte sich kein Lippenstift befunden, wie ihm jetzt wieder bewußt wurde.
Das zentrale Teil in seinem Puzzle war Helena. Seine Göttin. Nur mit ihr würde das Ganze einen Sinn ergeben. Er mußte sie wiedersehen.

 
18

Er fühlte sich etwas besser. Die Wunde war - zumindest bis jetzt - nicht wieder aufgebrochen, sein Kopfkissen so sauber wie zuvor. Und die paar Stunden Schlaf hatten ihm gutgetan. Seine Kopfschmerzen begannen auch nachzulassen, obwohl er keine Schmerztabletten mehr genommen hatte. Er bemerkte, daß es draußen schon langsam dunkel wurde. Inzwischen fühlte er sich sogar gut genug für ein paar Übungen im Fitneßstudio. Nicht viele vielleicht, aber die Sauna und das Solarium würden ihm guttun. Er schlüpfte in ein paar alte Klamotten, griff nach seiner Sporttasche und verschwand in die hereinbrechende Nacht.
Mit jedem Schritt durch die kalte, klare Nachtluft fühlte er sich besser. Die Kopfschmerzen waren mit einem Schlag weggeblasen. Seine Sinne schienen schärfer und klarer als jemals zuvor zu arbeiten. Er konnte eine Amsel im Park hören, ein Hund bellte irgendwo und in der Ferne ertönte eine Polizeisirene, alles Geräusche, die ihm zuvor nie bewußt aufgefallen wären. In seiner Nase fing sich der Geruch gebratenen Schweinefleisches und exotischer Gewürze vom Chinesen an der Ecke. Allerdings erfüllte in dieser Geruch weniger mit Appetit als mit Übelkeit. Seine Gedanken waren hingegen ganz woanders. Ständig mußte er an Helena denken. Wie sollte er sie nur wiederfinden?

 
19

Im Fitneßstudio angekommen, zog er sich um und ging in den Geräteraum. Hatte er sich heute morgen noch gefühlt, als wäre eine Dampfwalze über ihn gerollt, so ging es ihm jetzt ausgezeichnet. Er schien so fit wie selten zuvor zu sein. Er überlegte sich, an welchem der Folterinstrumente er beginnen würde, während  er sich aufwärmte. Schließlich entschied er sich fürs Bankdrücken. Der Trizeps war immer einer seiner Schwächen gewesen. Mehr als 80 Kilo, höchsten 100 hatte er nie geschafft, so angestrengt er auch trainierte. Er legte seine gewohnten 80 Kilo auf und glitt unter die Hantelstange. Nach den ersten zehn Wiederholungen bemerkte er, wie leicht es ihm heute fiel, das Gewicht zu stemmen. Verwundert setzte er ab und richtete sich auf. Kein Schweißtropfen hatte sich auf seiner Stirn gebildet, nicht einmal sein Atem ging schwer. Er zählte die Gewichte nochmal, überprüfte sie einzeln. Es waren die gewohnten 80 Kilogramm, daran bestand kein Zweifel. Kein Witzbold hatte sich die Mühe gemacht - er hatte diesen Scherz einmal erlebt - die Eisenscheiben durch Imitate zu ersetzen. Er holte sich zwei weitere Gewichte und brachte sie links und rechts an der Langhantel an. Insgesamt 100 Kilo. Er wußte, wie er sich normal unter dieser Last abmühte. Diesmal jedoch schien das Gewicht kaum zugenommen zu haben. Er erhöhte nochmals um 20 Kilo. Weitere 10 Wiederholungen. Dasselbe. Erst als er bei 140 Kilo angekommen war, merkte er, daß ihn diese Last spürbar forderte. Er konnte es sich nicht erklären. Es war doch wohl kaum möglich, daß sich seine Körperkräfte innerhalb von ein paar Tagen fast verdoppelt hatten. Doch auch an den anderen Maschinen mußte er großzügig Gewichte nachlegen, bevor ihn das Training spürbar ermüdete. Er war fast mit seiner Runde fertig, als ihn Mike, der Trainer, ansprach.

 
20

"Sag mal," meinte er, "was ist denn mit Dir los? Du siehst total blaß aus, stemmst aber hier Gewichte, als wärst Du plötzlich Herkules in Person."
"Ich hab auch keine Ahnung, was mit mir los ist" antwortete Mark, während er sich ein paar Tropfen Schweiß aus der Stirn wischte.
Mike sah ihn scharf an: "Du nimmst aber nicht etwa irgendwelche Steroide oder so Scheißzeug?"
"Ach was" lachte Mark, "Ich kann mir ja kaum euer Eiweißkraftfutter leisten!"
"Selbst damit solltest Du aufpassen. Ich will hier nämlich keine Junkies als Kunden. So, und jetzt geh am besten erstmal ne Runde Dampf ablassen in der Sauna! Sonst wirst Du am Ende vielleicht noch stärker als ich."
Nach drei Saunadurchgängen fühlte er sich wieder hervorragend. Abgesehen von der Stelle an seinem Hals. Sie schien sich entzündet zu haben, pochte schmerzhaft. Er achtete genau darauf, diese Stelle nur abzutupfen, als er sich abtrocknete. Aber bis jetzt war die Wunde nicht wieder aufgerissen. Zum Schluß wollte er wie immer noch ein paar Minuten im Solarium verbringen.
"Wenn mich Mike schon als Bleichgesicht verspottet...", dachte er. Er ging zum nächsten freien Abteil, zog die Tür hinter sich zu und schlüpfte aus dem T-Shirt und den Shorts. Dann stellte er den Timer auf 10 Minuten ein. Er überlegte kurz und änderte dann die Einstellung auf 15 Minuten. Eine Extradosis würde ihm heute wahrscheinlich guttun. Er drückte auf den Einschaltknopf, spürte ihn einrasten. Summend erwachten die UV-Röhren zum Leben und...

 
21

Gepeinigt schrie er auf. Seine Kopfschmerzen waren mit einem Schlag zurückgekehrt, heftiger als zuvor. Seine Kopf hämmerte. Die rostigen Nägel in seinen Augen schienen durch glühende Eisen ersetzt worden zu sein. Von Panik ergriffen schlug er auf den AUS-Knopf und sank zu Boden. In nachhinein konnte er nicht sagen, wie lange er benommen, vielleicht sogar bewußtlos gewesen war, bis die Schmerzen wieder abnahmen. Es konnte allerdings nicht allzu lange gewesen sein. Wahrscheinlich nur ein paar Minuten. Mit brummendem Schädel zog er sich wieder an.
Zwei weitere Puzzleteile: Wieso war er plötzlich so kräftig? Und wieso vertrug er keine Höhensonne mehr?

 
22

Auf dem Weg nach Hause bemerkte Mark, wie hungrig er eigentlich war. Hungrig, ja, und vor allem durstig. Sein Kühlschrank war auch nicht besser als der eines durchschnittlichen Junggesellenhaushalts. Dort würde er nicht allzuviel finden können. Er beschloß, seiner Stammkneipe einen Besuch abzustatten. Wie immer, wenn er allein hierherkam, setzte er sich an die Theke. Sein erstes Bier trank er mit langen, durstigen Zügen. Obwohl es frisch gezapft war, schien es seltsam schal auf seiner Zunge zu liegen. Auch sein Durst hielt fast unvermindert an. Er bestellte sich ein neues, das er in fast der gleichen Zeit wie das erste leerte. Erst beim Dritten ließ er sich etwas mehr Zeit. Er hob das Glas gerade erneut zum Mund, als er am Rande seines Gesichtsfelds sah, wie ein Rotweinglas über die Theke geschoben wurde.
"Hallo. Ich wußte, daß wir uns wiedersehen würden." Rauch auf Eis.
Seine Augen weiteten sich überrascht: "Gö...." Weiter kam er nicht, denn in diesem Moment floß die Flüssigkeit in seiner Kehle in die falsche Abzweigung und er verschluckte sich. Der Hustenreiz warf seinen Kopf nach vorne. Das Bierglas glitt aus seiner Hand, segelte gegen die Theke, prallte ab, verschüttete den restlichen Inhalt auf seiner Hose, bevor es krachend zu Boden fiel und zersprang. Wütend auf sich selbst rang er um Luft, während sie ihn amüsiert beobachtete.

 
23

"Man hat mir zwar schon oft gesagt, ich hätte eine umwerfende Wirkung auf Männer, aber das es gleich sooo schlimm ist...", lächelte sie.
Er brachte kaum die Worte heraus: "Wie...Wie haben Sie mich gefunden?"
Keine Antwort, nur ihr Lächeln. Rätselhaft. Sphinxengleich.
"Sie sind eine faszinierende Frau. Faszinierend, aber voller Geheimnisse. Und außerdem geht immer, wenn ich Sie sehe, ein Glas zu Bruch!"
Mit diesen Worten begann er, die Scherben aufzusammeln. Plötzlich zog er scharf die Luft ein: "Verdammt, jetzt hab ich mich auch noch geschnitten!"
Er richtete sich wieder auf, als Sie seine Hand ergriff. Sie lächelte noch immer, sah ihm tief in die Augen.
"Aber Scherben bringen doch Glück." Mit diesen Worten sog sie an seinem verletzten Finger, sog ihn tief in ihren Mund. Ihre Zunge rieb sich an ihm, streichelte an ihm entlang. Lustschauer rieselten seinen Rücken hinunter. Er hätte nie gedacht, daß ein einzelner Finger so empfindlich auf Liebkosungen reagieren könnte. Sein Schwanz zuckte unerträglich in seiner Hose. Als er in ihre Augen sah, erkannte er darin, wie sehr es ihr Spaß machte, ihn auf diese Art und Weise zu reizen. Sie ließ seinen Finger aus ihrem Mund gleiten, die Blutung war fast zum Stillstand gekommen.

 
24

Ihre Hand glitt um seinen Nacken, fuhr durch sein Haar. Sie zog ihn an sich. Ihre Lippen berührten die seinen. Sanft, einen Augenblick lang. Dann fester, intensiver. Ihre Zungen berührten einander, tasteten sich gegenseitig ab. Er glaubte, kleine Funken aus Elektrizität zwischen Ihren Zungen hin- und herspringen zu fühlen. Nie zuvor hatte er einen Kuß so intensiv gespürt. Ihre Zungen schienen sich zu verknoten, ineinander zu verschmelzen. Endlich, nach einer Ewigkeit, gab sie ihn wieder frei. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, zog sie ihn mit sich. Ihm blieb gerade noch genug Zeit, ein paar Scheine auf die Theke zu legen. Dann verschwanden Sie eng aneinandergeschlungen in der Dunkelheit draußen. Er wollte sie nach ihrem Ziel fragen, aber bevor er dazu kam, zog sie ihn in einen dunklen Hauseingang. Sie drückte ihn gegen die Wand und stürzte sich auf ihn...

 
25

Ihre Hände fuhren unter sein Hemd. Mit einem Ruck riß sie es auf. Er hörte, wie die Knöpfe absprangen und zu Boden fielen, aber es war ihm egal. Ihre Hände streichelten über seinen nackten Oberkörper. Wieder küßte sie ihn. Ihre Zunge tanzte in seinem Mund hin und her. Er klammerte sich wie ein Ertrinkender an sie . Eine Hand glitt über die Wölbung seiner Hose und löste einen Gefühlssturm in seinem Unterleib aus. Ihre Lippen glitten von seinem Mund abwärts über seinen Hals auf die Brust. Die Nägel ihrer rechten Hand kratzten über seinen Oberkörper, während ihre Linke seinen Schwanz weiter anstachelte. Er spürte ihre Küsse, ihre Bisse auf seiner Haut. Wellen aus Schmerz und Lust durchzuckten seinen Körper, verwoben sich zu einer überwältigenden Begierde. Seine Hände wanderten an ihrem Körper hinab, zogen und schoben ihren engen schwarzen Rock hoch. Seine Fingerspitzen wanderten über den Ansatz ihrer Nylonstrümpfe nach oben. Er fühlte das weiche Fleisch ihrer Pobacken, wühlte mit beiden Händen darin herum. Verwundert stellte er fest, daß sie kein Höschen anzuhaben schien. Sie löste seinen Gürtel, öffnete seine Hose und ließ ihre Hand hineinschlüpfen. Sein bester Freund zuckte, als sich ihre Finger um ihn schlossen. Nach einem kurzen Moment ließ sie wieder los und streifte seinen Slip nach unten.

 
26

Er wirbelte herum, drückte sie nun gegen die Wand. Er hatte nur ein Ziel: Sie zu nehmen, mit ihr zu verschmelzen, sich in sie zu ergießen. Ihre Lippen fanden sich wieder, ihre Körper prallten aufeinander. Er spürte ihre Hände über seinen Rücken gleiten, hinunter zu seinen Lenden. Ihre Fingernägel krallten sich in seinenPo. Er wollte gerade in sie hineingleiten, als er nicht weiter kam. Ihre Hände hielten seine Hüften von den ihren fern. Er konnte die Wärme und die Feuchtigkeit auf seiner Eichel spüren, aber er konnte nicht in sie eindringen. Er glaubte, die angestaute Begierde würde ihn jeden Moment in den Wahnsinn treiben. Dann, endlich, ließ sie ihn gewähren. Mit einem tiefen Seufzer glitt er in sie hinein. Für einen Moment stand er still, nahm alles in sich auf. Seine Hände glitten wieder zu ihren Pobacken, hoben sie hoch. Ihre Beine schlossen sich hinter seinem Rücken. Er trieb seinen Harten bis zum Anschlag in sie hinein, zog ihn etwas zurück und begann mit langsamen, tiefen Stößen. Ihre Hände fuhren über seinen Rücken, seinen Oberkörper, spielten mit seinen Brustwarzen und erregten ihn immer mehr. Jede Stelle seines Körpers, die von ihr berührt wurde, schien abwechselnd mit Eis und Feuer in Kontakt zu stehen. Er glaubte, Ihre Fingespitzen wären mit Hochspannung geladen. Ihre Berührungen durchdrangen seinen Körper mit Lust und Schmerz. Sein Rhythmus beschleunigte sich, er pumpte schneller in sie. Sie begann zu stöhnen, ihre Fingernägel krallten sich in seinen Rücken. Der Schmerz vereinigte sich mit seiner Lust, brachte ihn dem Höhepunkt immer näher. Er spürte, wie sich die Muskeln in ihr zusammenzogen, seinen Schwanz dazu drängten, seine Ladung loszuwerden. Noch einmal beschleunigte er sein Tempo, stieß schneller und härter zu. Er fühlte, wie sich ihre Beinklammer enger um ihn schloß, wie sie ihn an sich zog. In diesem Moment überschritt er die Grenze. Sein Sperma ergoß sich in sie. Gemeinsam stöhnten sie auf.

 
27

Wieder spürte er den Schmerz an seinem Hals. Aber diesmal schmerzte nicht nur sein Hals, sondern auch sein ganzer Körper. Ihre Lippen lösten sich von ihm. Sie rutschte ihren Rock wieder an seinen Platz und wandte sich von ihm ab.
"Wir sehen uns wieder."
Mit diesen Worten verschwand sie um die Ecke und betrat die Straße.
"Halt! Warte doch...", rief er ihr nach. Er zog hastig seine Hose hoch und eilte ihr nach. Doch als er um die Ecke bog, war die Straße menschenleer. Sie war verschwunden.

 
28

Er wachte am nächsten Morgen auf und fühlte sich noch schlechter als am vorherigen Tag. Ein metallischer Geschmack war in seinem Mund. Jede Faser seines Körpers tat ihm weh, sein Kopf hämmerte stechend und als er sich aufrichten wollte, fuhr er mit einem Aufschrei wieder in die Kissen zurück. Vorsichtig versuchte er es erneut. Wieder zuckte er schmerzerfüllt zurück: Irgend etwas zog an seinen Haaren. Es dauerte eine Weile, bis er klar genug denken konnte, um den Grund dafür zu erkennen. Die Wunde an seinem Hals war wieder aufgebrochen und das auslaufende Blut war bis in seine Haare gelaufen, dort schließlich getrocknet und hatte sie mit dem Kopfkissen verklebt. Er versuchte, beides voneinander zu lösen. Obwohl er dabei so behutsam wie nur möglich vorging, mußte er doch einige Haare opfern, bis er wieder frei war.
Er taumelte mit zusammengekniffenen Augen zur Dusche, fiel fast hinein und drehte mit einem Ruck den Kaltwasserhahn auf. Nach einer Weile fühlte er sich zumindest etwas besser. Am besten würde er den ganzen Tag im Bett verbringen und die Decke über den Kopf ziehen. Aber vielleicht war es doch besser, zum Arzt zu gehen. Oder gleich zum Neurologen. Es konnte ja schließlich auch etwas Ernsthaftes sein. Als er aus der Dusche trat, fiel sein Blick auf sein Spiegelbild im Spiegel. Ihm wurde mit einem Mal klar, warum sich sein Körper so anfühlte. Auf seiner Brust prangten mindestens ein Dutzend blauer Flecken. Von seine linken Schulter aus führten fünf lange Kratzer nach unten. Er sah aus, als wäre er gestern in eine Schlägerei verwickelt gewesen, nicht in ein Liebesabenteuer. Sein Rücken war in einer noch schlimmeren Verfassung: Auf jeder Seite befanden sich fünf lange Kratzer, die von der Schulter fast bis zur Nierengegend reichten. Eigentlich waren es kaum noch Kratzer, mehr schon Risse. Als hätte ihn eine Raubkatze hinterrücks angesprungen. Und soweit davon entfernt war es ja auch nicht gewesen, gestand er sich ein.

 
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"Organisch gesehen sind sie vollkommen in Ordnung." meinte der Arzt. Es war inzwischen später Nachmittag. Mark hatte den Großteil des Tages einfach im Bett verbracht, sich die Decke über den Kopf gezogen und geschlafen. Er hatte sich vergeblich den Kopf darüber zerbrochen, wohin seine Göttin gestern Abend so plötzlich entschwunden war. Es war nur ein weiteres Puzzleteil. Er konnte es drehen und wenden wie er wollte, die Teile weigerten sich, in eine sinnvolle Form zu passen. Er wußte, daß dieses Puzzle einen Sinn ergeben würde, nein, mußte, wenn erst das zentrale Teil an seinem Platz war. Gestern war er der Lösung so nahe gewesen - und dann war sie entschwunden. Zerronnen. Wie Sand durch die Finger gleitet.
"Ihre Symptome sprechen allerdings dafür, daß es sich bei Ihrer Krankheit höchstwahrscheinlich um eine Migräne handelt. Vor allem Ihre Lichtempfindlichkeit ist ein fast eindeutiges Zeichen. Ich kann ihnen zwar Tabletten dagegen verschreiben, aber am besten sollten Sie sich für ein paar Tage ausspannen. Bei Migräne handelt es sich meistens um streßbedingte Überreaktionen des Körpers.", fuhr der Arzt fort.

 
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Müde schloß er die Tür zu seiner Wohnung auf. Er war zwei Stunden lang kreuz und quer durch die halbe Stadt gefahren, bis er endlich die Tabletten bekommen hatte. Erst die vierte Apotheke hatte sie auf Lager gehabt.
Verwundert hielt er inne. In seiner Wohnung brannte Licht. Er ging zum Schlafzimmer und blieb erstaunt in der Türe stehen. In seiner Wohnung schien es zu spuken. Das Bett war frisch überzogen, die Kopfkissen aufgeschüttelt und die Decken zurückgeschlagen.
"Hallo", flüsterte eine Stimme hinter ihm in sein Ohr. Wieder trieb Rauch über Eis. Ein Schauer rann sein Rückgrat hinunter. Er wirbelte herum...

 
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Sie stand hinter ihm, in jeder Hand ein Glas Champagner. Ihr einziges Kleidungsstück war ein dunkelroter, weich fallender Samtbody. "Ich war so frei, Dein Bett neu zu überziehen."
Er stand da wie vom Blitz getroffen. Erst nach einiger Zeit konnte er wieder klar denken. "Was...wie bist Du hier hereingekommen?", stammelte er. "Brichst Du immer in fremde Wohnungen ein?"
"Nur in die von Leuten, die ich mag. Auf uns!" Sie reichte ihm ein Sektglas.
"Auf Dich, meine Göttin." Er prostete ihr zu.
"Ja, als Göttin der Nacht könnte man mich wohl bezeichnen." Sie kam mit langsamen, verführerischen Schritten näher. Er umarmte sie, nahm ihr das Glas ab.
"Ich will Dich", flüsterte er. Sanft streifte er einen Träger über ihre Schulter.
"Ich weiß. Ich bin ganz Dein." Der andere Träger schien wie von selbst zu fallen.
Langsam, fast wie in Zeitlupe, rutschte der Body über ihren Busen, rutschte an ihren langen Beinen hinunter und fiel zu Boden. Er trat einen Schritt zurück, um sie zum erstenmal vollkommen nackt zu sehen.
Er bewunderte ihren Körper. Sein Blick schweifte über ihr wunderbares Gesicht, an den Schultern hinunter auf ihren vollen, festen Busen, über die vorspringenden Brustwarzen weiter zu ihren flachen Bauch, dem schwarzen Busch zwischen ihren Schenkeln und an ihren Beinen hinunter. Sie stand da, wie eine fleischgewordene griechische Statue.

 
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Er stellte die Sektgläser auf dem Nachttisch ab. Sie trat einen Schritt vor, streifte mit den Füßen den Body ab. Ein weiterer Schritt, und sie stand direkt vor ihm. Zum erstenmal war sie etwas kleiner wie er, jetzt, ohne ihre hochhackigen Schuhe. Er zog sie in seine Arme. Langsam sanken sie auf sein Bett. Ihre Hände glitten über sein Hemd, rissen es aber nicht auf wie gestern, sondern öffneten langsam jeden Knopf. Als sie seine Brust mit den blauen Flecken sah, die bereits in einigen anderen Farben zu schillern begannen, kicherte sie leise. Er öffnete seine Hose und schlüpfte heraus.
Endlich lagen sie nackt nebeneinander, ihre Haut rieb sanft aneinander. Sie küßte ihn, sanft diesmal und voller Leidenschaft. Wieder begann jede von ihr berührte Stelle seiner Haut zu brennen, wieder floß Strom zwischen ihnen. Er streichelte sie, seine Hände fuhren über ihre Brüste, über ihre Brustwarzen, die bei der Berührung aufblühten und hart und fest wurden. Hinunter zwischen ihre Schenkel kreisten seine Finger, fuhren durch ihr dichtes Schamhaar, spreizten ihre Lippen, tauchten dazwischen in warme Feuchtigkeit, fanden schließlich zärtlich kreisend ihre Klitoris. Seine Lust wuchs mit jeder Sekunde. Sanft zog sie ihn über sich, öffnete sich für ihn. Wieder hielt sie ihn einen Moment, einen ewig langen Augenblick, fest, bevor er in sie eindrang. Nachdem er sie eine Zeitlang sanft geliebt hatte, drückte er sie eng an sich und rollte auf den Rücken, so daß sie auf ihm zu liegen kam.

 
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Sie richtete sich ein wenig auf, begann langsam ihr Becken zu heben und zu senken. Mark streichelte wieder über ihre Brüste, zwirbelte die linke Brustwarze zwischen seinen Fingern, während er an der rechten sanft biß und saugte. Ihre Bewegungen wurden schneller, ihr Stöhnen lauter. Seine Hände wanderten zu ihrem Po, unterstützten ihre Bewegungen. Immer schneller trafen ihre Körper aufeinander. Er spürte, wie sich ihre Muskeln um seinen Schwanz anspannten. Er kam ihr nun bei jedem Stoß entgegen, bewegte seinen Unterleib, soweit er konnte. Er biß fester auf ihre Brustwarze, seine Finger krallten sich in ihre Pobacken. Mit einem Aufschrei brach sie über ihm zusammen. Zwei weitere Stöße brachten auch ihn über den Abgrund. Laut aufschreiend spritzte er seinen Samen in sie hinein.

 
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Und wieder spürte er den Schmerz an seinem Hals. Ein süßer Schmerz, der weitere Wonnen verhieß. Eine Lust, die er im Moment nicht ertragen konnte, so überreizt wie sein Körper war. Er riß sich los, drehte sich zu ihr hin und sah in ihr Gesicht. Was er sah, ließ ihn blaß werden...
Mit einem Male hatte er das zentrale Teil seines Puzzles. Alle anderen Teile fielen plötzlich in seinen Gedanken an den richtigen Platz. Er wußte nun, wer - oder besser, was - Helena war. Er wußte, warum er seit kurzem kein Sonnenlicht und keine UV-Strahlen mehr vertrug. Warum er so kräftig geworden war. Warum die Wunde nicht aufhören wollte zu bluten. Und warum er den Geschmack seines Blutes so mochte. Er hatte die Antwort. Aber er wünschte sich von ganzem Herzen, es wäre eine andere gewesen.
Helena lag neben ihm auf dem Bett. Es war die gleiche Frau, wie noch Sekunden zuvor. Und doch eine ganz andere. Die beiden spitzen Zähne, die aus ihrem Oberkiefer ragten, schienen eine eindeutige Sprache zu sprechen. Ein Lichtstrahl fing sich funkelnd an einem daran hängenden Blutstropfen.

 
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Er rollte rückwärts aus dem Bett, fiel auf den Boden. Er wollte nur weg von ihr, nur hier raus. Panik erfüllte ihn. Rückwärts krabbelte er von ihr weg. Allerdings entfernte er sich gleichzeitig auch immer mehr von der Türe. Das Bett - und Helena - befanden sich nun zwischen ihm und seiner einzigen Fluchtmöglichkeit.
Worte drangen über seine Lippen: "Nein...nein...das gibt es doch gar nicht. Es gibt keine Vampire. Das sind doch alles nur Geschichten."
Helena erhob sich von seinem Bett und kam langsam auf ihn zu.
"Doch, es gibt uns. Schon seit Jahrhunderten. Und es wird uns auch noch hundert oder in tausend Jahren geben, denn wir sind unsterblich. Und wir brauchen das Blut von lebenden Menschen. Blut, das am süßesten schmeckt, wenn man es kurz nach dem Liebesakt trinkt. Auch Du wirst bald einer von uns sein. Es gibt kein Zurück, keinen Ausweg mehr für Dich."
Er wirbelte herum, stürzte zur Balkontür und riß sie auf. Aber wohin sollte er schon dort draußen? Selbst wenn er um Hilfe rief, bis die Polizei oder die Feuerwehr eintrafen, war er sicherlich schon tot. Oder, was in seinen Augen noch schlimmer war, so untot wie sie.
Wieder kam sie einen Schritt näher.  Er wich zurück, trat ins Freie.
"Wehre dich nicht dagegen. Auch Du wirst es bald genießen, zu uns zu gehören. Du wirst das Fieber der Jagd lieben, die Sucht nach Leben - nach Blut."

 
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Sie hatte recht: Er würde bald, sehr bald sogar, zu ihnen gehören. Es gab keinen Ausweg mehr für ihn. Doch noch war er nicht tot. Er würde bis zum letzten Atemzug kämpfen. Er wollte nicht zum Vampir werden, nicht um alles auf der Welt. Neben ihm bemerkte er seinen Grill. Er dachte zurück an den letzten Sommer: Wie oft hatte er hier mit seinen Freunden gesessen, mehr oder weniger verbrannte Steaks gegessen und bis tief in die Nacht hinein mit ihnen getrunken und gelacht. Jetzt sollte er zur Gefahr für sie werden, sie vielleicht sogar töten. Er griff nach dem Schürhaken, schlug damit nach ihr. Sie fing seinen Arm mitten in der Bewegung ab, mit der gleichen Leichtigkeit, mit der ein Erwachsener ein Kind aufhält. Ihre Finger schlossen sich wie ein Schraubstock um sein Handgelenk. Gequält schrie er auf, der Schürhaken entfiel seiner tauben Hand.
Er taumelte weiter zurück, stieß mit der Hüfte gegen das Balkongeländer. Weiter konnte er nicht zurückweichen. Er konnte nichts mehr tun, saß in ihrer Falle.
Aber eines konnte er noch tun: Er konnte dafür sorgen, daß er nicht zum Vampir wurde. Niemals.
Kopfüber ließ er sich über das Balkongeländer gleiten.
"NEIN!" schrie sie auf und stürzte vor. Doch ihre Finger erreichten ihn nicht mehr, glitten nur durch die leere Luft. "Du Narr!"
Mit einem dumpfen, übelkeitserregendem Geräusch schlug sein Körper neun Stockwerke tiefer auf dem Beton auf.

ENDE

 

(c) 1997
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